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Homer, der Sohn Abrahams: Wie die Nachkommen von Mennoniten aus Russland zur weltberühmten Familie Simpson wurden.

„Die Simpsons“ sind eine Satire auf das amerikanische Leben, die zum wichtigsten Kulturphänomen des 20. und 21. Jahrhunderts wurde. Aber hinter der Fassade dieser rein amerikanischen Sitcom verbirgt sich eine unerwartete, viel tiefere Geschichte, deren Wurzeln in die Geschichte der Russlanddeutschen reichen

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The Simpsons cast and crew at a stamp unveiling in Los Angeles, California (2009)

Foto: Chris Roth, CC BY-SA 2.0 · Wikimedia Commons · Zuschnitt

Der Erfinder der Trickfilm-Familie ist der Drehbuchautor Matt Groening. Die Protagonisten (Homer, Abraham, Bart, Lisa) benannte er nach seinen Familienmitgliedern. Die Vorfahren der Groenings (dt. – Grönings) waren Mitglieder einer Mennonitengemeinde, die Ende des 19. Jahrhundert aus Kolonien in der heutigen Ukraine auswanderte

Somit beruht das komödienartige Chaos Springfields, das sich über die moderne Politik und Kultur lustig macht, auf einem tiefen geschichtlichen Erbe, verbunden mit Auswanderern aus dem russischen Zarenreich

Die amerikanische Geschichte der Grönings begann 1874, als der künftige Großvater Homers, Abraham Groening (Gröning) im Alter von acht Jahren zusammen mit seiner Familie die Heimat verließ: die Region zwischen den Flüssen Dnepr und Asow. Der Nachname Gröning findet sich in den Kirchenbüchern mehrerer mennonitischer Siedlungen im Gebiet der früheren Gouvernements Jekaterinoslaw, Taurien und Cherson (heutige Ukraine)

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Die hier siedelnden Russlanddeutschen bildeten nie eine einheitliche Masse. Eine der Gruppen waren die Mennoniten, die in geschlossenen Gemeinden lebten und Plattdeutsch sprachen. 1871 wurden die Privilegien der Kolonisten abgeschafft. Nun unterlagen sie, wie auch alle anderen Einwohner des Russischen Reiches, dem Militärdienst. Tausende Mennoniten äußerten daher den Wunsch, Russland zu verlassen. Unter ihnen befand sich auch die Familie des achtjährigen Abraham Grönings (1866-1949), die 1874 in die USA auswanderte und sich zunächst im Staat Kansas niederließ

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Der Großvater des echten Homers, Abraham, war Prediger in seiner Gemeinde. Sein Sohn Abraham (1894-1981) wollte, wie seinerzeit auch der Vater, kein Soldat werden und flüchtete während des Ersten Weltkriegs nach Kanada, wo Mennoniten vom Wehrdienst befreit waren

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Portland, Oregon, Einwohnerzahl 22.000, Blick nach Osten auf die Cascade Mountains. Datum ca. 1880

Der Journalist Shane Fraser beschreibt Abes (Abrahams) spannende Biografie in einem Artikel für die kanadische Nachrichtenagentur CBC News: Während das FBI in den Vereinigten Staaten eine Geldprämie von 50 Dollar für seine Ergreifung verkündete, versteckte ihn in Kanada eine Gemeinde von Mennoniten, die Landleute aus Russland waren. Abraham war mit Elisabeth (1893-1975) verheiratet, die ebenfalls aus Russland stammte und später an der Universität Portland die russische Sprache unterrichtete

Im Jahre 1919, während ihres Aufenthalts in Kanada, kam in der Familie von Abraham und Elisabeth Groening ein Kind zur Welt, das Homer genannt wurde. In einem Spiegel-Interview erzählte Matt Groening, dass er laut einer Familienlegende zuerst Viktor genannt werden sollte, nach Victor Hugo, aber schließlich habe man sich für die andere Variante entschieden, sodass er den Namen des antiken griechischen Denkers erhielt. Ein Jahr später kehrte die Familie in die USA zurück, allerdings nicht nach Kansas, weil ihr gesamter Besitz dort bereits verkauft war, sondern in den Staat Oregon

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Foto: Chris Roth, CC BY-SA 2.0 · Wikimedia Commons

Faulheit, Ignoranz, Fresssucht, mangelnde Toleranz und fehlender Respekt für andere – dies sind die wichtigsten Charakterzüge des TV-Protagonisten. Der wahre Homer war das komplette Gegenteil davon. Die einzige Eigenschaft, die sie angeblich viele Jahre lang vereinte, war die Vorliebe für Donuts. Aber auch das erwies sich als Erfindung der Drehbuchautoren

1941 heiratete Homer Groening seine Mitschülerin Margaret Ruth Wiggum. Sie gehörte nicht der mennonitischen Gemeinde an, sondern war norwegischer Abstammung. Margaret erinnerte sich, dass Homer der einzige Mensch in der Stadt Everett war, wo sie beide aufwuchsen, der sie am meisten zum Lachen brachte

Homer Groening war weder ein tiefgläubiger Mensch, noch überzeugter Pazifist. Anders als sein Vater und Großvater ging er daher zum verpflichtenden Militärdienst und nahm als Bomberpilot am Zweiten Weltkrieg auf der Seite der Alliierten teil

Nach dem Krieg arbeitete Homer Groening in der Werbebranche und war sehr erfolgreich. Außerdem betätigte er sich als Regisseur und drehte mehrere Kurzfilme. Im Gegensatz zum TV-Homer war er gebildet und sportlich

Was für ein Mensch war also der wahre Homer? Am besten beschrieb ihn Jack Berry, ein Schriftsteller aus Oregon:

Ein Mensch, der sich mit mehreren verschiedenen Tätigkeiten beschäftigt, ist heutzutage selten. Ein Mensch, der mehrere Tätigkeiten gut macht, ist fast eine unerhörte Erscheinung. Als Werbefachmann, Karikaturist, Schriftsteller, unübertroffener Redner, Basketballspieler, Sporttaucher, Pilot und Filmregisseur ist Homer Groening ein solcher Mensch.

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In einer Folge der Simpsons verlässt der alte Abe das Altersheim, um Homer einen Besuch abzustatten. Während des Gesprächs gibt er zu, dass er seine Herkunft vergessen habe… Er wisse nur, dass sein Heimatland weit entfernt gewesen sei und später aufgehört habe zu existieren. In dieser Folge nähert sich Homer seinem Vater an und gesteht ihm seine Dankbarkeit

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Ganz ähnlich war es auch in Wirklichkeit: Homer Groening wurde von seinen liebenden Eltern unterstützt, die ihm eine gute Bildung ermöglichten und Fleiß beibrachten. Homers Söhne traten in die Fußstapfen ihres Vaters und interessierten sich schon als Kinder für das Erschaffen von Trickfilmen. Einer von ihnen ist Matt, der Erfinder der Simpsons. Seine Schwester Lisa wurde hingegen Lehrerin…

Aber das ist eine andere Geschichte.

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